Warum ist Change Management so wichtig?
Weil es aus meiner Sicht essenziell ist, eine Vision zu skizzieren, die Mitarbeiter darüber zu motivieren, sie mitzunehmen und sie informiert zu halten. Ziel ist es, den Prozess einfach im zeitlichen Rahmen, im geplanten Budget und der geforderten Qualität abzuwickeln und damit nicht mehr kaputt zu machen als gut. Denn am Ende soll ein Veränderungsprozess beschrieben werden, in dem aus 1+1 nicht gleich 2 sondern 2,5 oder 3 wird. Es gibt Beratungsfirmen, die sich ausschließlich mit Change Management beschäftigen und im Internet sowie in der Literatur findet man unzählige Fluss- und Kreisdiagramme, die sagen, was man tun muss. Das zeigt deutlich die herausragende Bedeutung des Themas, doch am Ende lässt es sich für mich auf eine wesentliche Kernaussage reduzieren: Rede mit deinen Leuten!
Wann kommt es zum Einsatz?
Na grundsätzlich überall wo Veränderung stattfindet. Wenn man an Change Management denkt, dann hat man wahrscheinlich umfangreiche und höchst komplexe Projekte vor Augen. Doch es fängt bereits bei kleineren Szenarien an, wie zum Beispiel bei Tooleinführungen. Während der Implementierung unseres Kommunikationstools Slack, setzten wir beispielsweise auf gezielte Schulungen und boten umfangreiche Informationsmöglichkeiten an. Dadurch wurde das Tool gut angenommen und hat sich schnell im Alltag etabliert.
Bei größeren Veränderungen kommt Change Management überall dort zum Einsatz, wo der Organisation und den Mitarbeitern eine massive Veränderung bevorsteht, die ihren Arbeitsplatz in Zukunft verändern wird in Bezug auf Aufgabenstellung, Örtlichkeit, Firmenkultur, -philosophie, etc.
eigene Nachbildung der Change Kurve nach Elizabeth Kübler-Ross
Was bedeutet für Sie aktives Change Management?
Man kann die Organisation und die Mitarbeiter aus Vertraulichkeits- oder Diskretionsgründen nicht immer vom ersten Moment an in alle Themen einbeziehen. Ich habe derartige Szenarien selbst bereits mehrmals erlebt, zum Beispiel bei der Verschmelzung zweier Unternehmen. Es gibt zunächst nur einen kleinen Kreis, der über die anstehende Veränderung informiert ist. Man kann dann eine gewisse Zeit nicht mit den Mitarbeitern darüber reden aber genauso wenig lässt es sich meistens vermeiden, dass irgendwo Informationen durchsickern. Dieses Mini-Vakuum am Anfang des Prozesses wird es immer geben, weil man die Mitarbeiter nicht sofort umfänglich informieren kann.
Je professioneller man diesen vorgelagerten Prozess managet, je vertraulicher er behandelt wird und je klarer die Initialkommunikation stattfindet, desto weniger wird man die Organisation zunächst einmal in Angst versetzen. Es gilt also, den Übergang optimal vorzubereiten, sehr vertraulich und vor allem klar zu kommunizieren.
Somit entsteht nach der Initialkommunikation der Eindruck, dass offen, transparent und ehrlich mit den Leuten umgegangen wird und sie fühlen sich einbezogen. Und das ist für mich eigentlich schon aktives Change Management: Man muss die Leute abholen, sobald es möglich ist, man muss mit ihnen ehrlich reden und ihnen sowohl Optionen als auch Risiken aufzeigen (bis hin zum Arbeitsplatzverlust). Solche Dinge von Anfang an offen und ehrlich anzusprechen ist sehr wichtig, ansonsten entstehen ja nur Gerüchte.
Welche Risiken gibt es im Prozessverlauf zu beachten?
Auch wenn man sich vor der Initialkommunikation sehr diskret verhält, haben die Mitarbeiter vielleicht eine gewisse Vorahnung. Dadurch entsteht ein Risiko im Sinne von Angst und Unsicherheit. Sie fragen sich: Was passiert da? Wieso weiß ich das nicht? Habe ich morgen überhaupt noch einen Job? Deshalb ist es auch besonders wichtig, die konkreten Auswirkungen für jeden Einzelnen offenzulegen. Denn sagt man den Mitarbeitern, dass sich etwas verändern wird und wir größer werden, so fragt sich jeder Einzelne: Und was bedeutet das für mich? Gerade bei Unternehmenszusammenschlüssen kann es zu Personaleinsparungen aus Effizienzgründen kommen. Deswegen ist es meiner Meinung nach wichtig, die einzelnen Funktionen (in kleineren Unternehmen sogar die einzelnen Personen) konkret anzusprechen und ihnen aufzuzeigen was die Veränderung für sie bedeutet.
Im weiteren Verlauf des Prozesses kann es außerdem zu gegenläufigen Strömungen innerhalb des Unternehmens oder der Mitarbeiterschaft kommen, obwohl man alle Mitarbeiter einbindet, sie kontinuierlich mitnimmt und transparent kommuniziert. Darauf sollte man sehr feinfühlig und akribisch achten und sofort reagieren. Sobald man also merkt, dass sich irgendwelche Grüppchen oder Gegenbewegungen bilden, sollte man sie offen ansprechen und ihre Kritik mit in den Prozess einweben. Nimmt man solche Widerstände nicht wahr, ignoriert sie oder versucht sie zu verstecken, so kann dies den gesamten Prozess negativ beeinflussen.
Fehlgeleitete oder nicht vorgenommene Change Management-Maßnahmen brennen sich in einer Organisation sehr schnell ein und man bekommt sie nur noch mühsam aus dem Unternehmen heraus. Funktioniert der Prozess nicht, verliert man Mitarbeiter, Dinge werden nicht so schnell vorwärts gehen und die Veränderung wird über Jahre hinweg mitgeschleppt. Es bedarf dann viel Aufwand und dauert eine lange Zeit, bis man das Misstrauen wieder in ein positives Szenario gedreht hat.
Welche Faktoren sind entscheidend für den Erfolg?
„Für mich gibt es fünf wesentliche Erfolgsfaktoren im Change Management:
Fünf Faktoren für erfolgreiches Change Management
An erster Stelle steht für mich die bereits angesprochene, ehrliche und offene Kommunikation.
Ähnlich bedeutend ist für mich die Einbindung der Mitarbeiter. Man kann natürlich nicht alle einbeziehen aber die Mitarbeiterschaft sollte durch selektive Vertreter der einzelnen Interessensgruppen signifikant in den Veränderungsprozess involviert sein. Auf uns übertragen heißt das: Wenn wir verändern, dann würde ich das nicht nur vorstandsintern mit Felix Kirschner machen, sondern gemischte Teams bilden und sämtliche Interessensvertreter in den Prozess involvieren.
Es ist außerdem wichtig, möglichst schnell kurzfristige Ziele zu erreichen. Im Privatleben geht es uns ja auch oft so: Wenn man auf ein Ziel hinarbeitet und unterjährlich wenig Fortschritte sieht, dann ist das nicht sehr befriedigend. Viele Dinge in großen Veränderungsprozessen werden Jahre dauern aber ich glaube, dass man die Ziele so stecken kann, dass jede Abteilung auch innerhalb von Wochen oder Monaten erste kleinere Erfolge feiern kann. Dieses Vorgehen motiviert die Mitarbeiter und somit wird der Spannungsbogen aufrechterhalten, um auch die langfristigen Ziele umzusetzen.
Im Laufe des Veränderungsprozesses sollte man auch die Zielstellungen, Visionen und Strategien entsprechend aufbauen und beschreiben. Wie genau das aussieht, hängt ein bisschen davon ab, ob wir uns intern verändern, hier sind diese Aspekte ja bereits vorhanden, oder ob zum Beispiel zwei separate Firmen zusammengeführt werden. In diesem Fall versucht man die unterschiedlichen Ansätze der Vergangenheit zusammenzuführen. Das sind die Faktoren, die den Mitarbeitern nicht das Gefühl geben, ihnen wird das andere ohnehin aufgedrückt. Das lässt sich beliebig auf alle anderen Bereiche ausweiten. Und damit gelangt man auch zu einem besonders wichtigen Thema für erfolgreiche Veränderungen: Kulturidentifikation.
Wie schafft man eine tiefgehende Kulturidentifikation bei einem Unternehmenszusammenschluss?
Sie fängt bei ganz banalen Dingen an, denn es sind meist keine hochtrabenden Sachen, die Emotionen wecken. Damit sich auch alle Mitarbeiter mit der neu geschaffenen Organisation identifizieren, wird zum Beispiel eine neutrale Firmenfarbe gewählt und es muss ein völlig neuer Name her. Außerdem sollte man das Unternehmen an einem komplett neutralen Standort hochziehen. Wenn man zwei Firmen zusammenführt, ist auch darauf zu achten, dass die Organisation paritätisch besetzt wird. Im Idealfall kommt der Bessere auf den Posten aber im Sinne eines erfolgreichen Change Managements würde ich das eher umformulieren und sagen: erstmal soll die Parität im Vordergrund stehen. Wenn diese partout nicht umzusetzen ist, dann würde ich anfangen die Besseren dort einzusetzen. Aber wenn es einigermaßen vergleichbare Optionen gibt, dann würde ich den unterschiedlichen Fraktionen immer zugestehen, dass jede ein Resort bekommt, das sie haben will, ähnlich der Ministerpostenbesetzung bei Koalitionsverhandlungen.
Wie gehen Sie konkret bei digatus mit diesem Thema um?
Ich setze das nicht besonders akademisch auf, sondern versuche den Prozess mit pragmatischen Mitteln anzugehen. Wenn ein Veränderungsprozess ansteht, setze ich vorrangig auf frühzeitige Kommunikation über die bekannten Kanäle und unsere internen Tools, wie das Intranet und Slack.
In den Monaten der heißen Phase verordne ich dann dem Management und mir selbst, mehr Zeit für Mitarbeiter einzuräumen. Das heißt mehr Zeit vor Ort in den Büros und mehr Zeit für die einzelnen Mitarbeiter zu haben, ganz einfach, um in bilateralen Gesprächen viel auszuräumen.
Ich würde zunächst den Change Management-Prozess an sich aber auch die kurz- und langfristigen Ziele, die Timeline und die Kommunikationsherangehensweise rudimentär beschreiben. Aber im Kern versuche ich vor allem, mir sehr viel Zeit für einzelne Mitarbeiter, für betroffene Gruppierungen und Organisationen zu nehmen. Um maximale Informationspolitik zu betreiben, würde ich Informations-Calls anbieten für alle, die das gerne in einem schnelleren oder höheren Zyklus annehmen wollen. Zusätzlich nutzen wir unser Format der digatus academy für verschiedene Schulungsangebote und praktische Trainings.
Es ist mir auch wichtig, offen und ehrlich damit umzugehen und deshalb die Mitarbeiter oder zumindest mal ein paar Mitarbeiter so früh wie möglich in den Prozess zu involvieren. Ganz konkret arbeite ich viel in 1:1 Gesprächen oder in Gruppengesprächen und versuche, Ängste abzubauen und Begeisterung sowie Motivation für den Veränderungsprozess zu wecken.
Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Einschätzungen zu diesem spannenden Thema!